Erfahrungsbericht Kalkhoff Integrale 8
Gefahrene km: 600
Verkäufer: Fahrrad XXL in St Augustin
Über Fahrrad XXL werde ich nicht weiter erzählen, wer diese (Trauer)Geschichte hören möchte, kann fragen.
Das Integrale ersetzt mein Gudereit mit Alfine 8-Nabenschaltung, was in so weit interessant ist, als ich jetzt die gleiche Nabenschaltung habe.
Eine Testfahrt hatte nur auf dem Betriebsgelände von Fahrrad XXL stattgefunden. Ein Fehler, wie ich jetzt finde.
1. Inbetriebnahme
Das Fahrrad wurde im Prinzip betriebsbereit übergeben. Ich habe den Lenkervorbau noch justiert:
Der gesamte Lenker kann im Winkel verstellt werden (und damit auch die Sitzposition), was allerdings dazu führt, dass auch Licht und Display neu justiert werden müssen, die am Lenker befestigt sind.
Ansonsten beschränkt sich die Inbetriebnahme auf die Einstellungen am Display.
Ich persönlich bin mit dem Sattel überhaupt nicht klargekommen. Tatsächlich finde ich den Sattel derart unbequem, dass ich kaum glauben kann, wie irgendjemand den mögen kann. Der Sattel ist derart schmal und bretthart, dass man direkt auf der Stange sitzen könnte.
Ich musste den Sattel austauschen.
Auch ich habe ein Rahmenschloss nachgerüstet, was mit etwas Fingerspitzengefühl ganz gut geht, wenn man die zusätzlichen Verbinderstücke hat.
Ich habe die bei ebay gekauft. Ein Rahmenschloss genügt bei einem so teuren Fahrrad allein eher nicht, weswegen die vorbereiteten Rahmenschrauben mit der Halterung eines zweiten Schlosseses belegt wurde. Dadurch entfällt die Möglichkeit, am Rahmen einen Trinkflaschenhalter zu befestigen.
Ersatzweise kann man sich einen Trinkflaschenhalter am Lenker befestigen.
Der Gepäckträger hat eine Racktime-Kupplung. Allerdings ist es eine schmale Kupplung, so dass man die Racktime-Befestigungen erst umbauen muss. Achtung: manche Racktime-Befestigungen haben einen festen Abstand (in der Regel dann den breiten Abstand) und passen dann nicht!
An die Mittelstange passt genau eine Tasche, die in dem Winkel unter dem Sattel eingehängt wird. Der Winkel am Lenker ist durch den Akku blockiert.
Zusammen mit der Tatsache, dass eine Lenkertasche nicht passt, ist es insgesamt sehr schwierig, mit diesem Fahrrad größere Gepäckmengen für eine Fahrradtour unterzubringen.
2. Erster Eindruck
Der stabile Rahmen und die Schwalbe Big Ben fahren sich gut. Insbesondere zusammen mit dem einstellbaren Lenkervorbau.
Das Licht gefällt mir ebenfalls, wobei ich inzwischen sehr störend finde, dass das Licht initial immer eingeschaltet ist und ich das tagsüber erst manuell ausmachen muss.
Warum kann man das nicht in der Software umstellen?
Die Pedale sind Standardware... da hätte man bei einem so teuren Fahrrad vielleicht auch etwas teurere... aber egal, Schwamm drüber.
Scheibenbremsen sind OK.
3. Display/Software/Navi
Die verschiedenen Unterstützungsstufen passen gut: ausgehend von "Eco" bis hin zu "Ultra" kann man sehr genau anpassen, wieviel Aufwand man selbst aufwenden möchte.
Träge reagiert allerdings die Motorsteuerung, wenn man zwischendurch den Motor ausschaltet und wieder einschaltet. Das geht eher nicht so gut... es dauert einfach zu lang, bis die Motorunterstützung wieder rund läuft, wenn man das ausgeschaltete System während der Fahrt wieder einschaltet.
Die zusätzlichen Optionen sind während der Fahrt gesperrt. Deswegen kann man zB die Tripdaten nicht während der Fahrt zurücksetzen. Man muss anhalten.
Das Navi ist unbrauchbar. Es werden nur grobe Richtungspfeile angezeigt, zum Beispiel "Rechts" oder "Links".
Trifft man auf eine Kreuzung, an der zum Beispiel zwei Wege nach Rechts abzweigen, gibt es überhaupt keine Möglichkeit herauszufinden, welcher gemeint ist.
Auch die Angaben bis zum nächsten Richtungswechsel stimmen für größere Entfernungen nicht (da wird die Einheit falsch angezeigt).
Ich will die weiteren Probleme des Navis (Navi-App plus Display) gar nicht aufzählen, weil bereits die beiden obigen Punkte den Navi zu 100% unbrauchbar machen.
Die restlichen Display-Optionen passen ganz gut: ungefähre Reichweite bei der aktuellen Unterstützungstufe, km, Uhrzeit... das übliche.
Schade ist, dass die Restakkufüllung in Prozent nur angezeigt wird, wenn die Motorunterstützung abgeschaltet ist. Da hätte ich gern die Möglichkeit auch während der Fahrt umzuschalten, ob ich die Restlauf-Km oder die Prozentangabe der Akku-Füllung sehe.
4. Zweiter Eindruck
Nach längerem Fahren stelle ich doch immer mehr Punkt fest, die meine Freude trüben.
Zunächst mal ist der Motor lauter als der Motor des Bosch Performance in unserem Cube.
Egal, ob unter Last oder fast im Leerlauf... man hört den Motor immer. Etwa so laut, wie man früher schlechte Felgendynamos gehört hat... ein ständiges BSSSSS...
Und zwar leider so laut, dass man es gerade nicht ausblenden kann. Man könnte natürlich ein Headset aufsetzen. Oder darauf hoffen, dass man im Alter sowieso weniger gut hört.
Zweitens knirscht und knackt das Lager. Das werde ich noch mal von der Werkstatt prüfen lassen, vielleicht bekommt man das mit zusätzlichem Fett in den Griff... wobei das Fahrrad ja neu ist.
Drittens rutscht die Schaltung echt oft durch. Dann gibt es ein furchtbares Knacken und Knirschen und man schaut sich unwillkürlich um, ob Teile der Schaltung in Bruchstücken auf der Straße liegen.
Dieses Durchrutschen hängt von folgenden Faktoren ab:
- Die Kraft, die man auf die Pedalen überträgt
- Die Anzahl der Gänge, die man geschaltet hat
Für mich sind das aber ABSOLUT UNVERZICHTBARE Anwendungsfälle. Beispiel 1: man fährt an eine Ampel heran und schafft es nicht mehr über die Grünphase. Also bremsen und im Stillstand den Gang umschalten (oder auch mal zwei, drei Gänge umschalten), weil man dann mit Schmackes an der Ampel wieder losfahren will.
Beispiel 2: man merkt am Berg zu spät, welchen Gang man braucht und schaltet um. Da man am Berg ist, möchte man auch hier mit Kraft treten.
Beispiel 3: man ist auf der Ebene und fährt sehr schnell (also über dem Unterstützungsbereich von 25). Naturgemäß ist man dann im Gang 8. Man muss vor einem plötzlichen auftauchenden Hinderniss bremsen, schaltet auf einen sehr kleinen Gang und will wieder schnell Geschwindigkeit aufbauen.
In all diesen Fällen wird man sehr zuverlässig das Durchrutschen provozieren und erntet das Krachen.
Viertens finde ich die Akkuhalterung nicht ganz optimal. Man muss den Akku in die Halterung hineindrehen und dann Schmackes geben, damit auch das Schloss einrastet.
Das ist teilweise ein ganz schönes Gefummel. Im übrigen ist die Akku-Reichweite -obwohl der Akku nominell eine höhere Leistung hat als das Konkurrenzprodukt von Bosch - nicht weiter als beim Cube.
Ich weiß nicht, wo genau das Potential verloren geht; allein es ist so: die tatsächlich gefahrene Reichweite beim Cube ist gleich. Meine Hoffnung, dass das höhere nominelle Potential sich auch in eine Reichweitensteigerung umsetzen lässt, hat sich so jedenfalls nicht spürbar erfüllt.
Fünftens hatte ich jetzt schon zweimal Situationen, in denen die Motorunterstützung sogar störend war:
zum Beispiel bin ich eine extrem enge Kurve gefahren und habe dabei den Lenker sehr weit eingeschlagen.
Plötzlich merke ich, wie der Motor das gesamte Fahrrad anschiebt, so dass der Lenker droht, sich zu verreissen...
das war eine unangenehme Überraschung.
5 FAZIT
Das Integrale 8 ist ein Fahrrad, dass einen sehr guten Eindruck macht, wenn man es ein paar Minuten im Fahrradladen fährt.
Im Alltag stellt sich leider die Frage, welchen Zweck das eBike haben soll.
Als Verbrauchsfahrrad (kaufen und kaputt fahren) ist es zu teuer.
Als Reisefahrrad ist es nur schwer einzusetzen und als Sportrad reagiert es leider zu mimosenhaft, wenn man Kraft auf die Pedale ausübt.
Insgesamt möchte ich zu diesem extrem üppigen Preis ein Fahrrad haben, das ich nicht mit spitzen Fingern anfassen muss, weil ich ständig das Gefühl habe, dass Rad oder die Motorsteuerung zu überfordern.